Beruhigter Stahlguss

Der innere Blasenkranz beim unberuhigten Stahlguss lässt sich nicht in allen Fällen durch Warmumformen verschweißen:

  • Stahlgussteilewerden nicht weiter verformt, hier wären Blasen innere Fehler und würden zu Ausschuss führen.
  • Hartstähle und legierte Stählemüssen mit geringerem Walzdruck verformt werden als die Weichstähle, sie erhalten sonst Risse. Dabei verschweißen Gasblasen nicht mit Sicherheit.

Diese Stähle müssen deshalb ohne Gasentwicklung vergossen werden. Sie erstarren ruhig in der Kokille. Die Gasentwicklung wird auf zweierlei Weise verhindert:

  • Bei langer Feinungsperiode wird dafür gesorgt, dass das gelöste FeO in die Schlacke diffundieren kann. Das ist nur im Elektroofen mit einer besonderen Schlacke möglich. Bei Spülen mit Argon (Sekundärmetallurgie) wird auch ein Teil des FeO nach oben in die Schlacke transportiert.
  • Das gelöste FeO wird durch jene Metalle reduziert, welche flüssige oder feste Oxide bilden wie z.B. Ca, Si, Mg, AI oder Ti. Diese Desoxidationslegierungenwerden bei der Sekundärmetallurgie in die Pfanne evtl. unter Schutzgas oder Vakuum tiefeingeblasen. Das Aufsteigen der gebildeten Mischoxide, die zu größeren Tröpfchen koagulieren, wird durch Spülgase begünstigt. Dabei laufen z.B. folgende Reaktionen ab:

FeO + Ca « Fe + CaO
3 FeO + 2Al « 3 Fe + Al203
2 FeO + Si « 2 Fe + Si02

Diese „Desoxidationsmittel“ (Reduktionsmittel) müssen zum Sauerstoff eine größere Affinität haben als das Fe. Nur dann können sie das FeO reduzieren und werden dabei selbst oxidiert (Redoxreaktion).

Beruhigt vergossene Stähle entstehen durch Zugabe von Silizium, Mangan. Aluminium und Titan beim Vergießen in Kokillen. Diese Stoffe verhindern das Aufsteigen von Gasblasen beim Erstarren, da der noch vorhandene „Sauerstoff“ aus dem FeO unter Bildung von SiO2 , MnO, Al2O3 bzw. TiO2 chemisch gebunden wird. Diese Oxide sind bei der Gießtemperatur bereits fest und feinverteilt im flüssigen Stahl. Die Spülwirkung der Gase entfällt und das Gefüge ist im ganzen Querschnitt gleichmäßig.

Beruhigt vergossene Stähle zeigen deshalb folgende Erscheinungen:

  • Keine Blasen im Inneren des Blockes, dafür ein höherer Gehalt an nichtmetallischen Schlackenteilchen in sehr feiner Verteilung
  • Keine Seigerungszone
  • Tiefer Lunker, da das Schwinden des erstarrenden Metalls nicht durch die Gasblasen ausgeglichen wird. Er kann durch Beheizen des Kopfes unter keramischen Hauben oder Zugabe von exothermen Reaktionsmassen verflacht werden. Das Ausbringen ist geringer als bei unberuhigtem Stahl und beträgt 80… 85 %.
  • Die Elemente Aluminium, Titan, Bor, Vanadium und Zirkonium binden außer dem Sauerstoff auch Stickstoff und bilden unlösliche Nitride. Al-beruhigte Stähle zeigen keine Alterung. Dadurch deutliche Erhöhung von Streckgrenze und Kerbschlagarbeit. Die Übergangstemperatur wird zu tieferen Temperaturen verschoben (siehe Kerbschlagversuch)

Beruhigt vergossen werden alle Stahlgusssorten, Strangguss, legierte Stähle und jene unlegierten Stähle, welche vergütet werden (Vergütungs- und Werkzeugstähle und Sonderstähle) bzw. immer dort wo ein gleichmäßiges Gefüge erforderlich ist.

Die nichtmetallischen Schlacketeilchen sind für die schlechtere Oberflächengüte des beruhigten Stahles verantwortlich. Diese groben Fehler an der Oberfläche wurden früher durch spanende Bearbeitung, Verputzen oder Flämmen entfernt. Heute ist das durch einen deutliche bessere Reinheit des Stahles und damit bessere Oberflächenqualität kaum mehr notwendig.

Der früher hergestellte halbberuhigte Stahl (z.B. S235JRG2) vereinigte die Vorteile des beruhigten und unberuhigten Stahles ohne deren Nachteile. Durch geringe Desoxidation sind dabei die C- und FeO- Gehalte aufeinander abgestimmt. Es kommt erst später zur Blasenbildung. Dadurch enthält dieser Stahl die Gasblasen im Kern, keinen Lunker und auch keine Seigerungen, während das Ausbringen so hoch wie beim unberuhigten Stahl liegt.

Die besonders beruhigten Stähle (zusätzlich oder nur Aluminium, Bor, Titan, Zirkonium oder Vanadium) sind feinkörnig und weitgehend phosphorfrei (z.B. z.B. S355K2G4, S460JO, S1100Q – zäh und gut schweißbar) bzw. haben sie bei höheren C-Gehalt beste Härteeignung (Vergütungsstähle C35E, C45E, 42CrMo4, oder Werkzeugstähle C60E, C80U )

Nachteile von unberuhigt vergossen Stahl
schlechter schweißbar (vor allem die Kernzone, die Speckschicht ist gut schweißbar)
alterungsanfällig
weniger zäh, geringere Kerbschlagarbeit, Übergangstemperatur bei höheren Temperaturen
keine gleichmäßigen Verformungseigenschaften (nur die Speckschicht ist gut verformbar)

Vorteile von unberuhigt vergossen Stahl
bessere Oberflächengüte
wenige oder keine Lunker


Vorteile von beruhigt vergossen Stahl
Streckgrenze und Kerbschlagarbeit wird höher
durch die Bildung von MnS wird der Stahl warmumformbar
MnS wird beim Walzen zeilenförmig in Walzrichtung gestreckt

Seigerungsstreifen nach dem Walzen
Polarisationsmikroskop